Euroschwäche und Fairer Handel

Fairer Handel und Wertverlust des Euro

„Euroschwäche und Fairer Handel“

Bedingt durch die Eurokrise, die Krise einiger Euro-Länder und die niedrige Inflationsrate haben die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Notenbanken der Euro-Zone im Januar mit dem Ankauf von Staatsanleihen begonnen. Bis September 2016 möchte die EZB 1,1 Billionen Euro in das Finanzsystem pumpen. Dadurch konnte der Außenwert des Euro weiter gedrückt werden. Der Euro fiel daraufhin bis auf 1,08 Dollar und notierte damit so niedrig wie seit Anfang September 2003 nicht mehr. Seit Dezember 2014 hat der Euro gegen den US-Dollar zwölf Prozent verloren, seit Mai 2014 beträgt der Verlust rund 25 Prozent. Die Exportindustrie der Euro-Zone wird gestärkt, denn europäische Waren werden auf dem Weltmarkt günstiger und dadurch wird die Wirtschaft angekurbelt. Gleichzeitig importiert der Währungsraum die gewünschte Inflation, weil die Einfuhren teurer werden.

files/weltladen/Bilder/Sonstige Bilder/20150306_IMG_20150306_104131cut.jpgEuropäische Zentralbank in Frankfurt/M. Bild: G. Werum

Fairer Handel und Wertverlust des Euro

Die Wechselkursentwicklung trifft mittelfristig auch den Fairen Handel. Der Wertverlust des Euro, aktuell mit bis zu 25%, ist für viele Importeure in Europa nicht mehr tragbar. Um auch weiterhin die Fair-Handelskriterien für Produzenten einhalten zu können, werden die erhöhten Einkaufspreise teilweise als Preiserhöhungen weitergegeben. Einige Lieferanten haben bereits die Preiserhöhungen durchgeführt, andere haben sie angekündigt.

Wenn dann parallel Zeitungsartikel erscheinen, dass Fairtrade boomt und zweistellige Zuwachsraten  zu verzeichnen sind, kann vorschnell eine Parallele zu vermeintlichen Abzockern gezogen werden. Dies stellt im Zusammenhang mit den Preiserhöhungen für uns und unsere KundInnen natürlich kein Grund zur Freude dar. Daher ist es wichtig, dies zum Anlass zu nehmen, um über Handelspraktiken ins Gespräch zu kommen und zu erklären, dass der Faire Handel die Last des Wertverlustes nicht auf die ProduzentInnen im globalen Süden abwälzt.

An zwei Beispielen, Bananen (BanaFair) und Kaffee (GEPA), wird dies besonders deutlich:

Newsletter von BanaFair e.V. (3. Juli 2015):

„Selbstverständlich geht die Euro-Abwertung auch an uns nicht spurlos vorbei. BanaFair importiert i.d.R. jede Woche 3 Container Bananen à 1.080 Kartons. Für jede Kiste fallen knapp 18 USD an (Preis an Urocal, Abfertigung in Ecuador, Seefracht). Insgesamt haben wir also wöchentlich Rechnungen auf Dollarbasis in Höhe von rd. 58.000 USD zu zahlen. Jeder Dollar kostet uns aktuell rd. 20 Cent mehr als im Durchschnitt der vergangenen zwei Jahre. Wir können diese Mehrkosten nicht länger selber tragen, ohne unsere Existenz zu gefährden. Mit anderen Worten: eine Preiserhöhung ist unvermeidbar.

Kundeninformation der GEPA (11.5. 2015)

http://www.gepa.de/home/produkte-projekte/preisanpassung.html

Der durchschnittliche GEPA-Einkaufspreis für 100 amerikanische Pfund Bio-Arabica setzte sich vor einem Jahr wie folgt zusammen:

Weltmarktpreis Ende Februar 2014:

180,00 US-Dollar

Fairtrade-Prämie nach Fairtrade International

20,00 US-Dollar

Bio-Zuschlag nach Fairtrade International

20,00 US-Dollar

Durchschnittliche GEPA-eigene Zuschläge

55,00 US-Dollar

Gesamt:

285,00 US-Dollar

Wechselkurs 1 Euro = 1,37 US-Dollar ergibt 208,00 Euro

Jetzt hat sich die Situation fast umgekehrt. Gleichzeitig ist der Weltmarktpreis gefallen.

Weltmarktpreis (20.3. 2015)

136,35 US-Dollar

Mindestpreis nach Fairtrade International

140,00 US-Dollar

Fairtrade-Prämie nach Fairtrade International

20,00 US-Dollar

Bio-Zuschlag nach Fairtrade International

20,00 US-Dollar

Durchschnittliche GEPA-eigene Zuschläge

55,00 US-Dollar

Gesamt:

245,00 US-Dollar

Wechselkurs 1 Euro = 1,05 ergibt 233,00 Euro

Je nach Provenienzen und Qualitäten liegt die Bandbreite für den zusätzlichen GEPAeigenen Zuschlag zwischen 10 und 150 US-Dollar.

Was heißt die aktuelle Entwicklung für Kaffee?

Derzeit ist der Weltmarktpreis auf 136,35 US-Dollar für 100 amerikanische Pfund Arabica-Kaffee (45,36 Kilo) gefallen. Es könnte auf den ersten Blick so wirken, als glichen die sinkenden Weltmarktpreise die Euroschwäche aus. So einfach geht die Gleichung im Fairen Handel aber nicht auf. Da wir mit unseren Partnergenossenschaften Verträge für ein ganzes Kaffeejahr zu einem Zeitpunkt abgeschlossen haben, als der niedrigere Börsenpreis noch gar nicht zum Tragen kam, haben wir einen Teil unseres Kaffees zu den höheren Weltmarktpreisen festgelegt (gefixt). Hinzu kamen Fairtrade- und Bio-Prämien sowie die GEPA-eigenen Qualitäts- und Ursprungszuschläge (zwischen 10 und 150 US-Dollar zusätzlich).

Letztes Jahr haben Börsenspekulationen die Preise in die Höhe getrieben. Aktuell ist der Weltmarktpreis relativ niedrig, weil genug Kaffee am Markt vorhanden ist. Das kann sich schnell wieder ändern. Manchmal reicht ein Gerücht eines bevorstehenden Ernteeinbruchs (z. B. wegen des Kaffeerosts), um die Preise wieder in die Höhe schießen zu lassen.

Offene Verträge: Fairer Umgang mit unseren Kaffeepartnern

Eine weitere Besonderheit des GEPA-Einkaufs sind offene Verträge mit unseren Handelspartnern im Süden, d. h. die GEPA schließt zu Beginn eines Kaffeejahres (in Afrika im Juli/August, in Lateinamerika im September/Oktober) einen Vertrag über einen vorläufigen Preis auf Mindestpreis-Basis nach Fairtrade-Kriterien mit den Partnergenossenschaften ab, um die Abnahmemenge zu sichern. Steigt im Kaffeejahr der Weltmarktpreis über den Mindestpreis von 140 US-Dollar pro 100 amerikanische Pfund (45,36 Kilo), dann hat der Handelspartner die Möglichkeit, bis zu einem Monat vor der Verschiffung den aktuellen Börsenpreis zu fixen und so den aktuell höheren Preis inkl. aller Zuschläge zu bekommen. Sinkt im umgekehrten Fall der Weltmarktpreis im Kaffeejahr unter den Mindestpreis, auf dessen Basis die GEPA im Vorjahr provisorisch den Preis mit den Genossenschaften festgelegt hat, bekommt die Genossenschaft den höheren GEPA-Preis: Das heißt Mindestpreis plus alle Zulagen wie Fairtrade-Prämie, Bio-Zuschlag sowie die GEPA-eigenen Qualitätszuschläge.

Wie sieht der Kaffeehandel der GEPA aus?

Der Kaffeemarkt ist ja – vor allem bedingt durch Börsenspekulationen – starken Schwankungen unterworfen. Das wirkt sich auch auf die Preisregelungen im Fairen Handel aus. Wenn der Weltmarktpreis am Boden liegt – und das geschieht alle paar Jahre mit schöner Regelmäßigkeit – werden gerade Kleinbauern zum Aufgeben, zum Emigrieren oder zum Umstieg auf Kokaproduktion gezwungen. Volkswirtschaftlich bedeutet dies eine Wertevernichtung. Fairer Handel bedeutet in solchen Zeiten schlicht und einfach Existenzsicherung. Deshalb halten wir die garantierte Mindestpreiskomponente im wahrsten Sinne des Wortes für überlebenswichtig.

Stärkung der Kaffeegenossenschaften

Damit nicht genug: Der Faire Handel stärkt auch die Genossenschaften als Interessenvertretung der Kleinbauern. Luis Martinez: „Es läuft nicht so wie bei großen Transnationalen: Diese vermindern das Sozialkapital der Produzenten, indem sie unter Mindestpreis einkaufen. Die Preise des Fairen Handels bewirken, dass die Genossenschaften in der Region konkurrenzfähig bleiben, sie dienen in der Region als Referenzgröße.“

GEPA-Preise oft über Fairtrade-Standard

Generell gilt: Steigt der Weltmarktpreis über den von Fairtrade International (FLO) festgelegten Mindestpreis (140 US-Dollar pro 100 amerikanische Pfund = 45,36 Kilo), werden Weltmarktpreis (aktuell 136,35 US-Dollar) plus 20 US-Dollar Entwicklungsaufschlag gezahlt. Zusätzlich gehört dazu der Bio-Aufschlag von 30 US-Dollar für Biokaffee. Hinzu kommen außerdem je nach Land und Handelspartner Qualitäts- und GEPA-eigene Ursprungszuschläge von insgesamt 10 bis rund 150 US-Dollar pro 100 amerikanische Pfund. Beim Weltmarktpreis unter Mindestpreis (140 US-Dollar) werden die Aufschläge auf den Mindestpreis gezahlt. Die GEPA liegt mit ihren Preisen für fairen Kaffee nicht nur über Weltmarktpreis, sondern oft auch über den Preisen, die von Fairtrade International festgelegt sind.

Weitere Informationen

Das Forum Fairer Handel hat die "Auswirkungen des schwachen Euros auf den Fairen Handel" zusammengetragen. Diese sind hier zu finden.

Zusammenstellung: Gerhard Werum

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